Inverse Probleme bestehen meist darin, Ursachen aus beobachteten Wirkungen zu rekonstruieren. Beispiele sind unter anderem Bildgebungsverfahren in der Medizin, den Natur- und den Ingenieurswissenschaften wie etwa Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Eletronenmikroskopie, seismische Bildgebungsverfahren oder optische Nanoskopie (etwa STED oder SMS). In vielen Fällen kann die Bestimmung der Wirkung einer gegebenen Ursache, das sogenannte Vorwärtsproblem, mit Hilfe von Differentialgleichungen modelliert werden. Dies führt auf inverse Probleme, bei denen aus Beobachtungen der Lösung einer Differentialgleichung oder eines Teils einer solchen Lösung ein Bestandteil der Differentialgleichung rekonstruiert werden soll, etwa eine Koeffizientenfunktion, eine Anfangsbedingung, eine Randbedingung oder die Form eines Gebietes.
Eine Hauptschwierigkeit bei der Lösung inverser Probleme ist das Phänomen der Schlecht-Gestelltheit: Ganz verschiedene Ursache können oft sehr ähnliche Wirkungen haben, und deshalb ist es schwierig, solche Ursachen aus fehlerbehaften Beobachtungen der entsprechenden Wirkungen zu rekonstruieren. Stabile Rekonstruktionsverfahren müssen daher a-priori Wissen über die Lösung (die unbekannte Ursache) nutzen. Das können zum Beispiel Glattheits- oder Sparsity Informationen oder auch Nichtnegativitätsbedingungen sein. In der Regularisierungstheorie versucht man zu zeigen, dass der Rekonstruktionsfehler trotz Schlechtgestelltheit gegen Null konvergiert, wenn der Datenfehler gegen Null geht, und ggf. wie schnell diese Konvergenz ist.
Neben generischen Regularisierungsverfahren, die auf der Formulierung eines schlecht gestellten inversen Problems als Operatorgleichung F(x)=y mit einem nicht stetig invertierbarem Vorwärtsoperator F beruhen, werden auch Problem-spezifische Rekonstruktionsverfahren untersucht. Solche Verfahren bestimmen oft nur einen besonders relevanten Teil der unbekannten Ursache x, etwa ein Funktional von x, den Träger einer Funktion oder eine Singularität. Beispiele sind Sampling- und Probe-Verfahren für inverse Streuprobleme, Rekonstruktionsverfahren für elektrische Impedanztomographie, die auf geometrical optics solutions oder Monotonie-Eigenschaften basieren, Time Reversal Methoden und (verallgemeinerte) Kirchhoff Migration Verfahren oder die Bestimmung von Polarisations- und Momententensoren kleiner Inklusionen.
Eine grundlegende Frage für jedes inverse Problem betrifft die Identifizierbarkeit, ob also die unbekannte Ursache eindeutig durch idealisierte fehlerfreie Beobachtungen bestimmt ist. Darüber hinaus interessiert man sich bei schlecht gestellten Problemen für Abschätzungen der Instabilität unter a-priori Informationen an die Lösung. Zur Beantwortung dieser Fragen kommen je nach Problemklasse ganz unterschiedliche Techniken zu Einsatz. Auch die Analysis von Rekonstruktionsverfahren erfordert je nach Datenfehlermodell und Verfahrensklasse ganz unterschiedliche Werkzeuge. So liegt das Gebiet der inversen Probleme aus mathematischer Sicht an der Schnittstelle von Theorie und Numerik partieller Differenzialgleichungen, Differenzialgeometrie, Integralgeometrie, numerischer Analysis, Statistik, Uncertainty Quantification und maschinellem Lernen.